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Laura M 2025-08-22 08:53:04 +00:00
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# Kirchliche Mitsprache bei Schulbüchern vs. freie Entwicklung von OER?!
# Kirchliche Mitsprache bei Religionsschulbüchern vs. freie Entwicklung von OER?!
# Kontrast zweier Welten
Die Realität der religionspädagogischen Materialentwicklung lässt sich in einem markanten Kontrastbild beschreiben:
Auf der einen Seite befinden sich kirchlich geprüfte Unterrichtswerke, die meist in Form von Schulbüchern vorliegen. Sie entstehen in enger Kooperation von ausgewählten Autor:innen, kirchlichen Aufsichtsstellen und staatlicher Kulutsbehöre.
Auf der anderen Seite stehen offene digitale Bildungsmedien (OER), die von Lehrkräften, Praktiker:innen, Wissenschaftler:innen oder Multiplikator:innen erstellt und über Plattformen wie *rpi-virtuell* verbreitet werden. Sie liegen in Form von Arbeitsblättern, Podcasts, Grafiken oder Workshopsreihen vor, können frei heruntergeladen, unmittelbar angepasst und in unterschiedlichen Kontexten neu eingesetzt werden.
Auf der einen Seite befinden sich kirchlich geprüfte Unterrichtswerke, die meist in Form von Schulbüchern vorliegen. Sie entstehen in enger Kooperation von ausgewählten Autor:innen, kirchlichen Aufsichtsstellen und staatlicher Kulutsbehörde.
Auf der anderen Seite stehen offene, digitale Bildungsressourcen (OER), die von Lehrkräften, Praktiker:innen, Wissenschaftler:innen oder Multiplikator:innen erstellt und über Plattformen wie *rpi-virtuell* verbreitet werden. Sie liegen in Form von Arbeitsblättern, Podcasts, Grafiken oder Workshopsreihen vor, können kostenfrei heruntergeladen, unmittelbar angepasst und in unterschiedlichen Kontexten neu eingesetzt werden.
Es sind zwei Welten, die unterschiedlichen Logiken folgen und doch beide für religiöse Bildungsprozesse von zentraler Bedeutung sind.
## Die Entstehung und Genehmigung kirchlicher Schulbücher
## Die Entstehung und Genehmigung von Religionsschulbüchern
Die Entwicklung katholischer Religionsbücher folgt einem hoch formalisierten Verfahren, das von mehreren Akteursgruppen getragen wird:
(1) Die Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlage verfassen die Manuskripte, die anschließend durch (2) kirchliche Zulassungsbehörden und (3) staatliche Kultusbehören geprüft werden. Damit soll gewährleistet sein, dass theologische Korrektheit, didaktische Qualität und rechtliche Vorgaben in den Lehrwerken gleichermaßen erfüllt sind.
Die Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlage verfassen die Manuskripte, die anschließend durch kirchliche Zulassungsbehörden und staatliche Kultusbehören geprüft werden. Damit soll gewährleistet sein, dass theologische Korrektheit, didaktische Qualität und rechtliche Vorgaben in den Lehrwerken gleichermaßen erfüllt sind.
Kirchenrechtlich ist festgelegt, dass Religionsbücher der Genehmigung durch die zuständige kirchliche Autorität bedürfen ([c. 827 § 2 CIC](https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch3.htm)).
Die einschlägige [Verfahrensordnung der Deutschen Bischofskonferenz](https://recht.drs.de/fileadmin/user_files/117/Dokumente/Rechtsdokumentation/3/4/1/02_11_01.pdf) aus dem Jahr 2002 präzisiert diesen Prozess: Zunächst erfolgt eine Begutachtung die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Schulbuchkommission (Art. 3 Abs. 1).
Darüber ist von kirchlicher Seite vorgesehen, dass Autor:innen des Lehrwerkes im Besitz der **Missio Canonica** sind oder, sofern diese fehlt, eine zustimmende Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs vorlegen (Art. 5).
Diese Regelung gilt für alle an einem Werk Beteiligten. Erst nach erfolgreicher Prüfung erteilt der Diözesanbischof die Druckerlaubnis, die im Imprimatur sichtbar wird.
**Kirchenrechtlich** ist festgelegt, dass Religionsbücher der Genehmigung durch die zuständige kirchliche Autorität bedürfen ([c. 827 § 2 CIC](https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch3.htm)).
Die einschlägige [Verfahrensordnung der Deutschen Bischofskonferenz](https://recht.drs.de/fileadmin/user_files/117/Dokumente/Rechtsdokumentation/3/4/1/02_11_01.pdf) aus dem Jahr 2002 präzisiert diesen Prozess. Zunächst erfolgt eine Begutachtung die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte **Schulbuchkommission** (Art. 3 Abs. 1).
Darüber hinaus ist von kirchlicher Seite vorgesehen, dass Autor:innen des Lehrwerkes im Besitz der **Missio Canonica** sind oder, sofern diese fehlt, eine zustimmende Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs vorlegen (Art. 5).
Diese Regelung gilt für alle an einem Werk Beteiligten. Erst nach erfolgreicher Prüfung erteilt der **Diözesanbischof** die Druckerlaubnis, die im Imprimatur sichtbar wird.
Neben der kirchlichen Zulassung ist die staatliche Kultusbehörde eine weitere Akteurin der Qualitätssicherung. Sie prüft die Vereinbarkeit mit den schulrechtlichen Rahmenbedingungen und den jeweiligen Lehrplänen der Länder sowie die Übereinstimmung des Lehrwerkes mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die Prüfung fachwissenschaftlicher wie fachdidaktischer Aspekte überlässt die Behörde weitgehend den Religionsgemeinschaften.
Die Schulbuchgenehmigung orientiert sich also sowohl an der kirchlichen Autorität, die ausgewiesene theologische Fundierung und Einheit prüft, als auch am Staat, der rechtliche Standards und Bildungsziele in Lehrmitteln gewährleistet.
Neben der kirchlichen Zulassung übernimmt auch die **staatliche Kultusbehörde** eine zentrale Rolle in der Qualitätssicherung. Ihre Aufgabe besteht darin, die Vereinbarkeit eines Lehrwerks mit den schulrechtlichen Vorgaben sowie den Lehrplänen der Länder zu überprüfen. Dabei steht insbesondere im Fokus, wie die dort verankerten Bildungsstandards im Schulbuch konkretisiert werden. Da Schulbücher an der Schnittstelle zwischen Lehrplan und Unterricht verortet sind, verdichtet sich in ihnen ein spezifisches Verständnis von Kompetenzorientierung. Dieses Verständnis soll den Unterricht sowohl an grundlegenden Lerntheorien als auch an aktuellen Vorgaben orientieren, wie z.B. die Verwendung von Operatoren bei Arbeitsaufträgen (vgl. Mendl 2024, 250). Darüber hinaus kontrolliert die Kultusbehörde die Übereinstimmung des Lehrwerks mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Die Schulbuchgenehmigung orientiert sich also neben der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Expertise durch die Autor:innen sowohl an der kirchlichen Autorität, die ausgewiesene theologische Fundierung und didaktische Umsetzung prüft, als auch am Staat, der rechtliche Standards und Bildungsziele in Lehrmitteln gewährleistet. Insgesamt zielen die Begutachtungsmodalitäten durch konstruktive und kritische Hinweise auf die Qualitätsentwicklung des Unterrichtsmediums (vgl. Mendl 2024, 250)
## Verbindlichkeit und Grenzen von Genehmigungsverfahren
Porzelt (2023) beschreibt in seinem Artikel zum Genehmigungsverfahren eines katholischen Religionsbuches diese doppelte Bindung als Ausdruck eines grundlegenden Spannungsfeldes. Religiöse Bildung ist stets zweifach bestimmt: Einerseits steht sie unter dem kirchlichen Mandat, das normative Leitlinien vorgibt, andererseits unter den Prinzipien der öffentlichen Schule, die Glaubensfreiheit und Lernendenautonomie garantieren. Schulbücher beanspruchen daher eine besondere Verbindlichkeit, können aber gerade dadurch Pluralität und Vielfalt nur eingeschränkt abbilden.
Nähere Einblick in so ein komplexes und anspruchsvolles Genehmigungsverfahren eines katholischen Religionsbuches liefert Porzelt (2023; 2024). Er versteht die doppelte Bindung von kirchlicher Aufsichtsbehörde und staatlicher Kultusbehörde als Ausdruck eines grundlegenden Spannungsfeldes. Religiöse Bildung ist demnach zweifach bestimmt: Einerseits steht sie unter dem kirchlichen Mandat, das normative Leitlinien vorgibt, andererseits unter den Prinzipien der öffentlichen Schule, die Glaubensfreiheit und Lernendenautonomie garantieren. Schulbücher beanspruchen daher eine besondere Verbindlichkeit, können aber gerade dadurch Pluralität und Vielfalt nur eingeschränkt abbilden.
Porzelt verweist zudem auf die Gefahr, dass durch ein zu stark normiertes Zulassungsverfahren die Lebendigkeit religiöser Bildung eingeschränkt werde. Wenn religiöse Ausdrucksformen oder gesellschaftlich relevante Themen nur am Rande vorkommen, wird das Bildungsangebot leicht in Richtung eines „kanonisch abgesicherten“ Wissens verengt. Damit geht die Herausforderung einher, die Balance zu finden zwischen der notwendigen Autorität, die kirchliche Identität wahrt, und der didaktischen Offenheit, die der Heterogenität heutiger Schüler:innenschaften gerecht wird.
## Entstehung und Qualitätsprozesse von OER
Demgegenüber entstehen OER in deutlich offeneren Strukturen. Sie werden von Personen entwickelt, die sich für Bildung begeistern, das sind mit unter Lehrkräfte, Wissenschaftler:innen oder Multiplikator:innen von Fort- und Weiterbildungsangeboten. OER werden meist auf digitalen Plattformen wie z.B. orca.nrw, twillo oder speziell für religiöse Bildungsprozesse rpi-virtuell eingestellt und verbreitet.
Charakteristisch für OER ist ihre Adaption und Nachnutzbarkeit. Durch offene Creative Commons-Lizenzen können die Materialien frei heruntergeladen, verändert, an spezifische Kontexte angepasst und neu publiziert werden.
Die Qualitätssicherung vollzieht sich hier nicht durch ein zentrales Genehmigungsverfahren, sondern in dynamischen Prozessen kollaborativer Aushandlung. Nutzer:innen prüfen die Materialien im praktischen Einsatz, geben Feedback über Kommentarspalten oder in digitalen Austauschrunden, passen die Materialien an ihre Lerngruppen an und entwickeln sie weiter.
Evaluation, Adaption und iterative Überarbeitung werden so selbst zu Instrumenten der Qualitätssicherung. OER sind somit keine statisch abgeschlossenen Produkte, sondern kontinuierlich erweiterbar im „Work in Progress“.
Diese Offenheit ermöglicht ein hohes Maß an Partizipation, Kreativität und Aktualität, sie birgt jedoch auch Risiken gewisse Risiken.
Ohne institutionelle Autorisierung können theologische Maßstäbe verschwimmen und die Sicherung inhaltlicher Standards hängt stark von der aktiven Mitwirkung der Community ab.
Demgegenüber entstehen OER in deutlich offeneren Strukturen. Sie werden von Personen entwickelt, die sich für Bildung begeistern, das sind mit unter Lehrkräfte, Erzieher:innen, Wissenschaftler:innen, Multiplikator:innen von Fort- und Weiterbildungsangeboten oder NGO's. Diese Offenheit ermöglicht es, viele Menschen an der Entstehung von Lehr-Lernmaterialien zu beteiligen und hinsichtlich der Themenauswahl, Produktion, Darstellung, Verwaltung und Verbreitung von Wissen teilzuhaben (vgl. Paschke 2024, 255)
OER werden meist auf digitalen Plattformen wie z.B. *orca.nrw*, *twillo* oder speziell für religiöse Bildungsprozesse *rpi-virtuell* eingestellt und verbreitet, damit sie einem großen Personenkreis **konstenlos zugänglich** gemacht werden können.
Charakteristisch für OER ist ihre **Adaption und Nachnutzbarkeit**. Durch offene Creative Commons-Lizenzen können die Materialien frei heruntergeladen, verändert, an spezifische Kontexte angepasst und neu publiziert werden.
Die **Qualitätssicherung** vollzieht sich hier nicht durch ein zentrales Genehmigungsverfahren, sondern in dynamischen Prozessen kollaborativer Aushandlung. Nutzer:innen prüfen die Materialien im praktischen Einsatz, geben Feedback über Kommentarspalten oder in digitalen Austauschrunden, passen die Materialien an ihre Lerngruppen an und entwickeln sie weiter.
Evaluation, Adaption und iterative Überarbeitung werden so selbst zu Instrumenten der Qualitätssicherung. OER sind somit keine statisch abgeschlossenen Produkte, sondern kontinuierlich erweiterbar.
Diese Offenheit ermöglicht ein hohes Maß an **Partizipation, Kreativität und Aktualität**. So verdeutlicht Paschke (2024, S. 254f), dass OER die Chance liefern, aktuelle kirchliche Entwicklungen, wie den synodalen Weg oder Out in Church mit geeignetem Material im Unterricht zu bearbeiten, um Schüler:innen über den Schulkontext hinaus dafür zu motivieren, kirchenpolitische Entwicklungen mitzugestalten.
Allerdings birgt die Offenheit jedoch auch gewisse Risiken. Ohne institutionelle Autorisierung können theologische Maßstäbe verschwimmen und die Sicherung inhaltlicher Standards hängt stark von der aktiven Mitwirkung der Community ab.
## Diskussion: Zwischen normativer Verbindlichkeit und partizipativer Offenheit
@ -44,7 +49,7 @@ Die Gegenüberstellung verdeutlicht zwei Modelle der Qualitätsentwicklung, die
Kirchliche Schulbücher gewährleisten theologische Klarheit und institutionelle Verbindlichkeit durch ein hierarchisch organisiertes Genehmigungsverfahren.
OER entfalten ihre Qualität dagegen im Modus der Offenheit. Sie leben von Partizipation, Adaptierbarkeit und der dynamischen Weiterentwicklung durch Praktker:innen.
Sowohl der kirchliche als auch der staatliche Ansatz besitzen Stärken und Schwächen. Kirchliche Verfahren sichern Verlässlichkeit, können jedoch nach Porzelt (2023)innovationshemmend sein.
Sowohl der kirchliche als auch der staatliche Ansatz besitzen Stärken und Schwächen. Kirchliche Verfahren sichern Verlässlichkeit, können jedoch nach Porzelt (2023; 2024)innovationshemmend sein.
OER eröffnen neue Räume für Partizipation und kontextuelle Passung, sind jedoch anfällig für Beliebigkeit und den Verlust theologischer Tiefe. Die Herausforderung für die religionspädagogische Praxis besteht darin, diese beiden Ansätze nicht als unvereinbare Gegensätze zu betrachten, sondern sie produktiv miteinander zu verknüpfen.
Eine zukunftsweisende Perspektive könnte darin liegen, kirchliche Expertise in theologischer Reflexion und normativer Orientierung in offene Entwicklungsprozesse einzubringen und zugleich von den partizipativen, adaptiven Praktiken der OER-Communities zu lernen. So könnte eine neue Materialkultur entstehen, die sowohl Verbindlichkeit als auch Offenheit ernst nimmt.
@ -52,5 +57,8 @@ Letztlich bleibt das eingangs skizzierte Bild bestehen. Auf der einen Seite lieg
Doch gerade in dieser Spannung eröffnet sich die Möglichkeit, beide Welten in einen produktiven Dialog zu führen und eine zukunftsfähige Kultur religiöser Bildung zu gestalten, die institutionelle Verantwortung und kreative Offenheit zumindest miteinander ins Gespräch bringt.
Literatur
* Mendl, H. (2024). Religionsbuch: Quelle und Höhepunkt der Unterrichtsplanung, in: KatBl 149 (4), 249256.
* Paschke, P. (2024). Das "Relibuch" braucht ein Update, in: KatBl 149 (4), 253256.
* Porzelt, B. (2024). Albtraum Religionsbuchgenehmigung, in: KatBl 149 (4), 257-261.
* Porzelt, B. (2023). Wer bestimmt die Normen des Religionsunterrichts? Die Genehmigung von Religionsbüchern im Fadenkreuz, in: MThZ 74 (2023) 207-216.