Erster Aufschlag Blogbeitrag Lehrpersonen & OER

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Bildungs- und Unterrichtsmaterialien bleiben oft isoliert, werden nicht miteinander geteilt und alle basteln vor sich hin - das kostet Zeit, Energie und macht keinen Spaß. Du hast Angst vor Trouble, wenn du dein Material veröffentlichst oder bist unsicher, wie das mit Rechten, Lizenzen und der Qualität aussieht? Damit bist du nicht alleine! Wir nehmen dich mit und begleiten dich raus aus deiner Bubble 🫧 Transparenz, Anschlussfähigkeit und Nachvollziehbarkeit sind unser Ziel 🏁 Vorbei mit dem ganzen Bubbletrouble wir als OER-Communities wollen unser Wisssen, Erfahrungen und Materialien offen miteinander teilen 🤝 Dazu haben wir zusammen mit unserem FOERBICO-Team und einzelnen Personen aus verschiedenen Communities wie [relilab](https://relilab.org/) oder [reliGlobal](https://religlobal.org/) eine kleine Fun-Aktion gestartet und einen Bubblesong entwickelt 👇
[![Raus aus den Bubbles](raus-aus-den-bubbles_vorschau.jpg)](https://reliverse.social/system/media_attachments/files/112/904/428/137/450/089/original/0a9aa90406a723e5.mp4)
[![Raus aus den Bubbles](raus-aus-den-bubbles_vorschau.jpg)](https://blossom.primal.net/c126cdf894412efe78fca2cd0f7259b88de8eda67b6880132ad213ada4f4977d.mp4)
Vielen Dank an Jörg Lohrer, Gina Buchwald-Chassée, Laura Moessle, Phillip Angelina, Corinna Ullmann, Bianca Kappelhoff, David Wakefield und Nele Hirsch fürs Mitmachen ❤️

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# „Open“ ist eine Haltung: Wie Lehrkräfte mit OER umgehen
Offene Bildungsressourcen versprechen mehr als lediglich freien Zugang zu Unterrichtsmaterialien. Zwar ist der unkomplizierte Zugriff auf Arbeitsblätter, Präsentationen oder Schaubilder ein unbestreitbarer Vorteil. Doch OER verkörpern darüber hinaus eine bildungstheoretische Vision, die auf **Kollaboration**, **Offenheit* und **Bildungsgerechtigkeit** zielt.
Doch was geschieht, wenn diese Vision auf die Realität schulischer Unterrichtspraxis trifft? Empirische Studien von *Baas et al.* (2022), *Hetmanek et al.* (2015) und *Admiraal* (2022) geben hierzu differenzierte Einblicke. Ihre Befunde zeigen, dass zwischen dem visionären Potenzial von OER und ihrer gelebten Praxis eine deutliche Lücke besteht. Doch liegt in eben dieser Diskrepanz womöglich der Schlüssel für einen möglichen **kulturellen Wandel** der Bildungskultur?
## 1. Ressourcenrealität
Wenn Lehrpersonen Unterricht vorbereiten, greifen sie dabei primär auf institutionell bereitgestellte oder selbst entwickelte Materialien zurück. OER stellen im Lehrer:innenalltag nach wie vor ein Randphänomen dar, weniger aus Ablehnung, sondern vorwiegend aus **Pragmatismus**. Entscheidend sind Kriterien wie **Curriculumpassung**, **Zeitökonomie** und **didaktische Anschlussfähigkeit**.
Die Offenheit einer Lizenz spielt häufig nur eine marginale Rolle, wenn Lehrpersonen Materialien heraussuchen, abändern und für ihre Zielgruppe aufbereiten (vgl. *Hetmanek et al.* (2015).
*Admiraal* (2022) ergänzt, dass der Erstkontakt mit OER bei Lehrpersonen oftmals zufällig erfolgt, etwa durch informelle Netzwerke oder kollegiale Empfehlungen. Kommen also Lehrpersonen mit OER in Kontakt oder gebrauchen diese gar, ist das nicht zwingend das Reultat einer strategischen Medienplanung.
Die Entscheidung, ob OER von Lehrpersonen verwendet werden, hängt an der Frage der Qualität. *Admiraal* (2022) hebt hervor, dass Qualitätswahrnehmung von Lehrpersonen mit Blick auf den jeweiligen Schul- und Unterrichtskontext erfolgt. Lehrkräfte bewerten Materialien primär nach der Passung zum eigenen Unterrichtsstil und zu den spezifischen Lernzielen. Offenheit, im Sinne der CC-Lizenzen ist dabei ein Ermöglichungsfaktor, jedoch kein Selbstzweck.
## Barrieren und blinde Flecken
Inzwischen ist durch Studien recht gut belegt, dass strukturelle Hemnisse einen immensen Faktor darstellen, warum OER nicht zum Einsatz kommen. (*Baas et al.*, 2022; *Hetmanek et al.*, 2015) HIerzu zählen vor allem mangelnde Sichtbarkeit der Materialien, fehlende institutionelle Unterstützung und rechtliche Unsicherheiten. Dies deutet auf infrastrukturelle Defizite hin, die den Einsatz offener Ressourcen nach wie vor zu wenig unterstützen.
Darüber hinaus herrschen noch immer verbreitete **Lizenzunsicherheiten** selbst unter erfahrenen OER-Nutzenden vor, was die Weitergabe, Bereitstellung und Nachnutzung von Materialien als OER deutlich hemmt (*Admiraal* (2022))
## Von der Ressource zur offenen Praxis
Die Praxis von Lehrpersonen zeigt deutlich, dass Offenheit kein Selbstläufer darstellt. Kommt es zum Einsatz von OER in der Schul- und Unterrichtspraxis, wird jedoch auch deutlich, dass OER noch immer hinter ihrem Potenzial zurückbleiben. Selbst qualitativ hochwertige OER werden nicht automatisch zu Treibern innovativer Lehr-Lern-Kulturen, solange sie primär als fertige, unveränderliche Produkte verstanden werden.
Offene Bildungsressourcen entfalten ihr volles transformatives Potenzial erst dann, wenn sie in offene Bildungspraktiken eingebettet werden, also in Lehr-Lern-Arrangements, die auf Adaption, Weiterentwicklung, Publikation und kollaborative Gestaltung setzen.
Wie Lehrpersonen also mit OER umgehen, lässt sich dabei differenzieren. *Admiraal* (2022) entwirft eine **Typologie von OER-Nutzenden**, die sich nach dem Grad ihrer Partizipation unterscheiden:
- **Retain & Consume**: OER werden genutzt, aber unverändert beibehalten (ca. **16 %** der Befragten).
- **Adapt & Re-use**: Bestehende Materialien werden an den eigenen Kontext angepasst und erneut verwendet (die größte Gruppe mit ca. **47 %**).
- **Create & Add** Neue Materialien werden entwickelt und in offene Repositorien eingestellt (ca. **12 %**).
- **Publish & Comment** Neben dem Erstellen und Veröffentlichen findet auch ein aktiver Austausch und kollektives Kommentieren in offenen Communities statt (ca. **11 %**).
Die Übersicht verdeutlich, dass fast zwei Drittel der Lehrenden sich im Bereich des individuellen Konsums und der Anpassung bewegen, während nur ein kleinerer Anteil den Schritt in die öffentliche, kollaborative Gestaltung wagt.
Gerade hier liegt jedoch nach *Baas et al.* (2022) das größte Innovationspotenzial: In kollaborativen Prozessen werden Qualitätsdimensionen gemeinsam verhandelt, Perspektivenvielfalt integriert und Materialien kontinuierlich verbessert. Dieser Schritt von der Ressource zur Praxis verändert nicht nur die Unterrichtsmaterialien, sondern auch die professionelle Selbstwahrnehmung der Lehrkräfte von Materialnutzer:innen hin zu Ko-Produzent:innen und Qualitätsprüfer:innen.
Wer OER nicht nur verwendet, sondern aktiv gestaltet, benötigt neben Zugang und Qualitätsbewusstsein auch institutionelle Unterstützung, Rechtssicherheit und kollegiale Netzwerke. Kooperative Entwicklungsprozesse steigern die Qualität und Innovationskraft von OER. Kollegiale Netzwerke fungieren dabei als Katalysatoren, indem sie Perspektivenvielfalt und geteilte Verantwortung in den Produktionsprozess einbringen (Admiraal 2022)
Erst diese Kombination ermöglicht, dass Offenheit zu einer **gelebten pädagogischen Haltung** wird.
## Offenheit als Kulturwandel: Religionspädagogische Perspektiven
Sowohl *Baas et al.* (2022) als auch *Admiraal* (2022) betonen, dass nachhaltige OER-Integration einen **Paradigmenwechsel** erfordert. Offenheit muss als **professionelle Norm** verankert werden, unterstützt durch institutionelle Anerkennung, infrastrukturelle Rahmenbedingungen und Kompetenzentwicklung. Erst dann wird das Teilen von Materialien zu einer selbstverständlichen pädagogischen Praxis.
Für Religionslehrkräfte eröffnet kreative Handlungsräume, die sich trotz nachvollziehbarer Hemmnisse dennoch lohnen:
- **Kontextualisierte Materialien**: OER ermöglichen die flexible Anpassung an unterschiedliche konfessionelle, interreligiöse oder pluralitätsorientierte Unterrichtskontexte
- **Kollaborative Materialentwicklung**: Offene Plattformen wie rpi-virtuell erlauben die Erstellung und gemeinsame Pflege religionspädagogischer Materialien über Schul- und Gemeindegrenzen hinweg
- **Partizipative Lernprozesse**: Lernende können aktiv in die Erstellung religionspädagogischer Bildungsressourcen eingebunden werden, bspw. bei Erklärvideos oder Glossaren
*Open* ist in diesem Sinn keine rein technische oder rechtliche Kategorie, sondern eine pädagogische Haltung, ein Bekenntnis zu einer Bildungskultur, die Teilhabe nicht nur ermöglicht, sondern als grundlegendes Prinzip pädagogischen Handelns versteht.
## Literatur
- Admiraal, W. (2022). *A typology of educators using Open Educational Resources for teaching*.
- Baas, M., et al. (2022). *Qualitätskriterien und Reflexionsprozesse in der OER-Nutzung von Lehrkräften*.
- Hetmanek, A., et al. (2015). *Lehrkräfte und ihre Nutzung digitaler Bildungsressourcen: Eine Bestandsaufnahme*.