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2025-12-10
Laura Mößle
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Open ist eine Haltung: Wie Lehrkräfte mit OER umgehen
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OER verkörpern eine Vision von Offenheit, Kollaboration und Bildungsgerechtigkeit, stoßen in der Praxis jedoch noch auf Widerstände. Lehrende suchen selten gezielt nach OER und teilen Materialien oft ohne rechtssichere Kennzeichnung. Wie lässt sich ein kultureller Wandel in der Bildung vollziehen? open-ist-eine-haltung
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Open ist eine Haltung: Wie Lehrkräfte mit OER umgehen

OER versprechen weit mehr als den bloßen Zugang zu Unterrichtsmaterialien. Neben der unkomplizierten Verfügbarkeit von Arbeitsblättern, Präsentationen oder Schaubildern verkörpern sie eine bildungstheoretische Vision, die auf Kollaboration, Offenheit und Bildungsgerechtigkeit zielt.

Empirische Studien (Baas et al. 2022; Buntins et al. 2024; Admiraal 2022) zeigen jedoch, dass zwischen diesem Anspruch und der Realität in der Praxis von Schulen und Hochschulen erhebliche Spannungen bestehen. Gerade diese Diskrepanz verweist auf das Potenzial von OER, einen kulturellen Wandel in der Bildung zu initiieren.

Eine Frage der Ressourcen

Lehrpersonen und Hochschuldozierende greifen bei der Vorbereitung von Unterricht oder Seminaren überwiegend auf institutionell bereitgestellte Materialien oder Suchergebnisse aus dem Internet zurück. Eine gezielte Suche nach OER kommt nur selten vor und ist weniger Ausdruck bewusster Ablehnung als mangelnder Bekanntheit. Wird geeignetes Material gefunden, spielt die ausgewiesene Lizenz für sie meist nur eine untergeordnete Rolle.

Viele Lehrende teilen eigene, selbst erstellte Materialien zwar bereitwillig mit Dritten, jedoch ohne ausgewiesene Lizenz, sodass automatisch die Restriktionen des Urheberrechts greifen. Die damit verbundenen Implikationen sind den meisten Lehrenden in der Regel nicht bewusst (vgl. Buntins et al. 2024).

Admiraal (2022) spricht in diesem Zusammenhang von einer verborgenen Nutzung. Lehrkräfte greifen auf Materialien zurück, die sie online finden oder von Kolleg:innen erhalten, ohne sich genauer mit den rechtlichen Vorgaben für die Nutzung und Verbreitung auseinanderzusetzen. Treffen sie zufällig auf OER, ist ihnen das meist gar nicht bewusst. In der Regel verbleibt die Nutzung im Bereich individuellen Konsums oder kleiner Anpassungen für eine unterrichtliche Anpassung. Der Schritt zur aktiven, öffentlichen Gestaltung und Weiterentwicklung von OER bleibt bei den meisten Lehrenden die Ausnahme, obgleich gerade hier das Potenzial für eine Veränderung der Lehr- und Lernkultur liegt (vgl. Littlejohn & Hood 2017).

Didaktische Passung als Schlüssel

Ob OER tatsächlich genutzt werden, hängt wesentlich von der Wahrnehmung ihrer Qualität im Verhältnis zum eigenen Unterricht ab. Admiraal 2022 hebt hervor, dass sich die zentralen Herausforderungen der Lehrkräfte bei der OER-Nutzung darauf beziehen, geeignete, qualitativ hochwertige und zugleich kontextrelevante Materialien zu finden. Die Qualitätswahrnehmung erfolgt keineswegs abstrakt, sondern in enger Verbindung zum jeweiligen Schul- und Unterrichtskontext. Materialien müssen anschlussfähig an den eigenen Unterrichtsstil und die spezifischen Lernziele sein. Insofern ist Qualität für Lehrpersonen weniger eine universale Eigenschaft der OER, sondern eine relationale Kategorie, die sich aus Passung, Aktualität und situativer Relevanz ergibt. Offenheit im Sinne der Lizenzierung ist dabei ein wesentlicher Ermöglichungsfaktor, sie wird jedoch nicht als Selbstzweck wahrgenommen, sondern tritt hinter die Frage zurück, ob ein Material didaktisch sinnvoll einsetzbar und für die konkrete Lerngruppe geeignet ist.

Barrieren und blinde Flecken

Studien verweisen zunehmend auf strukturelle Hemmnisse als zentrale Ursache für die bislang eingeschränkte Nutzung von OER. Baas et al. (2022) zeigen, dass Lehrende insbesondere mit der begrenzten Sichtbarkeit und Auffindbarkeit qualitativ geeigneter Materialien konfrontiert sind, da relevante und aktuelle Ressourcen häufig schwer zugänglich sind.

Darüber hinaus mangelt es weitestgehend noch immer an einer systematischen institutionellen Unterstützung. Fortbestehende rechtliche und technische Unsicherheiten, etwa im Hinblick auf offene Lizenzen und Fragen der Implementierung in bestehende Curricula, stellen eine Hürde für Lehrende dar. Diese Bedingungen hemmen nach wie vor die nachhaltige Integration offener Bildungsressourcen in den Schul- und Hochschulkontext. Selbst unter erfahrenen OER-Nutzenden herrschen noch immer Lizenzunsicherheiten vor (vgl. Admiraal 2022).

Von der Ressource zur offenen Praxis

OER entfalten ihr transformatives Potenzial erst, wenn sie nicht lediglich als konsumierbare Materialien verstanden, sondern in offene Bildungspraktiken, sog. Open Educational Practices (OEP) eingebettet werden. Damit sind z.B. Prozesse der Adaption, Weiterentwicklung, Veröffentlichung und kooperativen Gestaltung gemeint. Die Studien von Buntins et al. (2024) und Admiraal (2022) zeigen jedoch, dass Lehrkräfte OER bislang, wenn sie diese überhaupt nutzen, überwiegend adaptieren oder rezipieren, während eigenständige Produktion und kollaborative Entwicklung marginal bleiben. Insbesondere das Teilen erfolgt meist innerhalb vertrauter schulischer Netzwerke, während öffentliche Plattformen (aufgrund fehlender rechtlicher Kenntnisse) selten genutzt werden.

Gerade hierin liegt jedoch eine Chance. Werden Lehrkräfte systematisch in offenen Praktiken unterstützt, z.B. durch rechtliche Orientierung, niedrigschwellige technische Lösungen und kollaborative Formate, können OER zu Motoren einer innovationsorientierten Bildungskultur werden. Baas et al. (2022) betonen, dass kollaborative Prozesse nicht nur Materialien verbessern, sondern auch Perspektivenvielfalt integrieren und die gemeinsame Aushandlung von Qualitätsmaßstäben fördern. Dies verändert zugleich die professionelle Selbstwahrnehmung von Lehrkräften, von Materialnutzenden hin zu Ko-Produzent:innen und Qualitätsgestalter:innen.

Offenheit als Kulturwandel: Religionspädagogische Perspektiven

Nachhaltige OER-Integration in die eigene Lehrpraxis sowie das Bereitstellen von Materialien erfordert einen Paradigmenwechsel: Offenheit muss als professionelle Norm etabliert und durch institutionelle Anerkennung, infrastrukturelle Rahmenbedingungen sowie gezielte Kompetenzentwicklung flankiert werden. Offenheit ist kein Automatismus, sondern eine Haltung, die z.B. in Workshops und Fortbildungen erlernt und eingeübt werden kann.

Gerade in der Religionspädagogik bieten OER besondere Chancen, die den zusätzlichen Aufwand ihrer Erstellung und die Suche nach OER für die Lehrpraxis rechtfertigen. Denn sie eröffnen didaktische und strukturelle Handlungsräume, die über traditionelle Materialien hinausgehen:

  1. Kontextualisierte Materialien: OER können passgenau auf die jeweilige Zielgruppe, den religiösen Kontext und spezifische Lernbedarfe zugeschnitten werden.
  2. Kollaborative Entwicklung: Offene Plattformen wie rpi-virtuell ermöglichen die gemeinschaftliche Erstellung, Pflege und Weiterentwicklung religionspädagogischer Materialien über Institutions- und Konfessionsgrenzen hinweg.
  3. Partizipative Lernprozesse: Lernende können aktiv in die Materialentwicklung eingebunden werden.
  4. Machtsensible Gestaltung: Kollaborative OER-Produktion eröffnet vielfältigen Stimmen Raum und trägt dazu bei, unterschiedliche Perspektiven sichtbar zu machen und Stereotypisierungen zu vermeiden.
  5. Aktualität: Durch ihre Offenheit lassen sich OER flexibel an bildungstheoretische Konzepte, länderspezifische Lehrpläne oder aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen anpassen.

In diesem Sinn ist open keine rein technische oder rechtliche Kategorie, sondern eine pädagogische Haltung und damit ein Bekenntnis zu einer Bildungskultur, die Teilhabe nicht nur ermöglicht, sondern als grundlegendes Prinzip begreift. Besonders in der Religionspädagogik knüpft diese Offenheit an das christliche Bildungsverständnis an. Wissen ist kein zu hütender Schatz, den man verbergen sollte, sondern etwas, das „überfließend“ geteilt werden darf, um andere zu unterstützen und in ihrer Entwicklung zu fördern. Langfristiges Ziel muss es also sein, Lehrpersonen darin zu unterstützen, offene Praktiken als Bestandteil ihrer Lehrpraxis und ihres Bildungsauftrags zu gestalten.

Literaturangaben