From 0a92cd38390ca8027919b39098dfa65bb5452128 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: lmoessle Date: Thu, 21 Aug 2025 12:36:18 +0000 Subject: [PATCH 1/3] =?UTF-8?q?Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche?= =?UTF-8?q?-Mitsprache-vs-open=3F/index.md=20hinzugef=C3=BCgt?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../index.md | 56 +++++++++++++++++++ 1 file changed, 56 insertions(+) create mode 100644 Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md diff --git a/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md b/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md new file mode 100644 index 0000000..2ba74ae --- /dev/null +++ b/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md @@ -0,0 +1,56 @@ + + +# Kirchliche Mitsprache bei Schulbüchern vs. freie Entwicklung von OER?! + +# Kontrast zweier Welten + +Die Realität der religionspädagogischen Materialentwicklung lässt sich in einem markanten Kontrastbild beschreiben: +Auf der einen Seite befinden sich kirchlich geprüfte Unterrichtswerke, die meist in Form von Schulbüchern vorliegen. Sie entstehen in enger Kooperation von ausgewählten Autor:innen, kirchlichen Aufsichtsstellen und staatlicher Kulutsbehöre. +Auf der anderen Seite stehen offene digitale Bildungsmedien (OER), die von Lehrkräften, Praktiker:innen, Wissenschaftler:innen oder Multiplikator:innen erstellt und über Plattformen wie *rpi-virtuell* verbreitet werden. Sie liegen in Form von Arbeitsblättern, Podcasts, Grafiken oder Workshopsreihen vor, können frei heruntergeladen, unmittelbar angepasst und in unterschiedlichen Kontexten neu eingesetzt werden. +Es sind zwei Welten, die unterschiedlichen Logiken folgen und doch beide für religiöse Bildungsprozesse von zentraler Bedeutung sind. + +## Die Entstehung und Genehmigung kirchlicher Schulbücher + +Die Entwicklung katholischer Religionsbücher folgt einem hoch formalisierten Verfahren, das von mehreren Akteursgruppen getragen wird: +(1) Die Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlage verfassen die Manuskripte, die anschließend durch (2) kirchliche Zulassungsbehörden und (3) staatliche Kultusbehören geprüft werden. Damit soll gewährleistet sein, dass theologische Korrektheit, didaktische Qualität und rechtliche Vorgaben in den Lehrwerken gleichermaßen erfüllt sind. + +Kirchenrechtlich ist festgelegt, dass Religionsbücher der Genehmigung durch die zuständige kirchliche Autorität bedürfen ([c. 827 § 2 CIC](https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch3.htm)). +Die einschlägige [Verfahrensordnung der Deutschen Bischofskonferenz](https://recht.drs.de/fileadmin/user_files/117/Dokumente/Rechtsdokumentation/3/4/1/02_11_01.pdf) aus dem Jahr 2002 präzisiert diesen Prozess: Zunächst erfolgt eine Begutachtung die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Schulbuchkommission (Art. 3 Abs. 1). +Darüber ist von kirchlicher Seite vorgesehen, dass Autor:innen des Lehrwerkes im Besitz der **Missio Canonica** sind oder, sofern diese fehlt, eine zustimmende Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs vorlegen (Art. 5). +Diese Regelung gilt für alle an einem Werk Beteiligten. Erst nach erfolgreicher Prüfung erteilt der Diözesanbischof die Druckerlaubnis, die im Imprimatur sichtbar wird. + +Neben der kirchlichen Zulassung ist die staatliche Kultusbehörde eine weitere Akteurin der Qualitätssicherung. Sie prüft die Vereinbarkeit mit den schulrechtlichen Rahmenbedingungen und den jeweiligen Lehrplänen der Länder sowie die Übereinstimmung des Lehrwerkes mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die Prüfung fachwissenschaftlicher wie fachdidaktischer Aspekte überlässt die Behörde weitgehend den Religionsgemeinschaften. +Die Schulbuchgenehmigung orientiert sich also sowohl an der kirchlichen Autorität, die ausgewiesene theologische Fundierung und Einheit prüft, als auch am Staat, der rechtliche Standards und Bildungsziele in Lehrmitteln gewährleistet. + +## Verbindlichkeit und Grenzen von Genehmigungsverfahren + +Porzelt (2023) beschreibt in seinem Artikel zum Genehmigungsverfahren eines katholischen Religionsbuches diese doppelte Bindung als Ausdruck eines grundlegenden Spannungsfeldes. Religiöse Bildung ist stets zweifach bestimmt: Einerseits steht sie unter dem kirchlichen Mandat, das normative Leitlinien vorgibt, andererseits unter den Prinzipien der öffentlichen Schule, die Glaubensfreiheit und Lernendenautonomie garantieren. Schulbücher beanspruchen daher eine besondere Verbindlichkeit, können aber gerade dadurch Pluralität und Vielfalt nur eingeschränkt abbilden. + +Porzelt verweist zudem auf die Gefahr, dass durch ein zu stark normiertes Zulassungsverfahren die Lebendigkeit religiöser Bildung eingeschränkt werde. Wenn religiöse Ausdrucksformen oder gesellschaftlich relevante Themen nur am Rande vorkommen, wird das Bildungsangebot leicht in Richtung eines „kanonisch abgesicherten“ Wissens verengt. Damit geht die Herausforderung einher, die Balance zu finden zwischen der notwendigen Autorität, die kirchliche Identität wahrt, und der didaktischen Offenheit, die der Heterogenität heutiger Schüler:innenschaften gerecht wird. + + +## Entstehung und Qualitätsprozesse von OER + +Demgegenüber entstehen OER in deutlich offeneren Strukturen. Sie werden von Personen entwickelt, die sich für Bildung begeistern, das sind mit unter Lehrkräfte, Wissenschaftler:innen oder Multiplikator:innen von Fort- und Weiterbildungsangeboten. OER werden meist auf digitalen Plattformen wie z.B. orca.nrw, twillo oder speziell für religiöse Bildungsprozesse rpi-virtuell eingestellt und verbreitet. +Charakteristisch für OER ist ihre Adaption und Nachnutzbarkeit. Durch offene Creative Commons-Lizenzen können die Materialien frei heruntergeladen, verändert, an spezifische Kontexte angepasst und neu publiziert werden. +Die Qualitätssicherung vollzieht sich hier nicht durch ein zentrales Genehmigungsverfahren, sondern in dynamischen Prozessen kollaborativer Aushandlung. Nutzer:innen prüfen die Materialien im praktischen Einsatz, geben Feedback über Kommentarspalten oder in digitalen Austauschrunden, passen die Materialien an ihre Lerngruppen an und entwickeln sie weiter. +Evaluation, Adaption und iterative Überarbeitung werden so selbst zu Instrumenten der Qualitätssicherung. OER sind somit keine statisch abgeschlossenen Produkte, sondern kontinuierlich erweiterbar im „Work in Progress“. +Diese Offenheit ermöglicht ein hohes Maß an Partizipation, Kreativität und Aktualität, sie birgt jedoch auch Risiken gewisse Risiken. +Ohne institutionelle Autorisierung können theologische Maßstäbe verschwimmen und die Sicherung inhaltlicher Standards hängt stark von der aktiven Mitwirkung der Community ab. + +## Diskussion: Zwischen normativer Verbindlichkeit und partizipativer Offenheit + +Die Gegenüberstellung verdeutlicht zwei Modelle der Qualitätsentwicklung, die jeweils eigene Logiken repräsentieren. +Kirchliche Schulbücher gewährleisten theologische Klarheit und institutionelle Verbindlichkeit durch ein hierarchisch organisiertes Genehmigungsverfahren. +OER entfalten ihre Qualität dagegen im Modus der Offenheit. Sie leben von Partizipation, Adaptierbarkeit und der dynamischen Weiterentwicklung durch Praktker:innen. + +Sowohl der kirchliche als auch der staatliche Ansatz besitzen Stärken und Schwächen. Kirchliche Verfahren sichern Verlässlichkeit, können jedoch nach Porzelt (2023)innovationshemmend sein. +OER eröffnen neue Räume für Partizipation und kontextuelle Passung, sind jedoch anfällig für Beliebigkeit und den Verlust theologischer Tiefe. Die Herausforderung für die religionspädagogische Praxis besteht darin, diese beiden Ansätze nicht als unvereinbare Gegensätze zu betrachten, sondern sie produktiv miteinander zu verknüpfen. + +Eine zukunftsweisende Perspektive könnte darin liegen, kirchliche Expertise in theologischer Reflexion und normativer Orientierung in offene Entwicklungsprozesse einzubringen und zugleich von den partizipativen, adaptiven Praktiken der OER-Communities zu lernen. So könnte eine neue Materialkultur entstehen, die sowohl Verbindlichkeit als auch Offenheit ernst nimmt. +Letztlich bleibt das eingangs skizzierte Bild bestehen. Auf der einen Seite liegt der geordnete Stapel kirchlich autorisierter Schulbücher, auf der anderen Seite die dynamische, vielleicht chaotisch anmutende Vielfalt frei zugänglicher OER. +Doch gerade in dieser Spannung eröffnet sich die Möglichkeit, beide Welten in einen produktiven Dialog zu führen und eine zukunftsfähige Kultur religiöser Bildung zu gestalten, die institutionelle Verantwortung und kreative Offenheit zumindest miteinander ins Gespräch bringt. + +Literatur +* Porzelt, B. (2023). Wer bestimmt die Normen des Religionsunterrichts? Die Genehmigung von Religionsbüchern im Fadenkreuz, in: MThZ 74 (2023) 207-216. + From e8df79b54595d49ee298232f6dc79b539ebd8b20 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: lmoessle Date: Fri, 22 Aug 2025 08:53:04 +0000 Subject: [PATCH 2/3] =?UTF-8?q?Literatur=20eingearbeitet=20und=20Text=20er?= =?UTF-8?q?g=C3=A4nzt?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../index.md | 48 +++++++++++-------- 1 file changed, 28 insertions(+), 20 deletions(-) diff --git a/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md b/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md index 2ba74ae..e4a3985 100644 --- a/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md +++ b/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md @@ -1,42 +1,47 @@ - -# Kirchliche Mitsprache bei Schulbüchern vs. freie Entwicklung von OER?! +# Kirchliche Mitsprache bei Religionsschulbüchern vs. freie Entwicklung von OER?! # Kontrast zweier Welten Die Realität der religionspädagogischen Materialentwicklung lässt sich in einem markanten Kontrastbild beschreiben: -Auf der einen Seite befinden sich kirchlich geprüfte Unterrichtswerke, die meist in Form von Schulbüchern vorliegen. Sie entstehen in enger Kooperation von ausgewählten Autor:innen, kirchlichen Aufsichtsstellen und staatlicher Kulutsbehöre. -Auf der anderen Seite stehen offene digitale Bildungsmedien (OER), die von Lehrkräften, Praktiker:innen, Wissenschaftler:innen oder Multiplikator:innen erstellt und über Plattformen wie *rpi-virtuell* verbreitet werden. Sie liegen in Form von Arbeitsblättern, Podcasts, Grafiken oder Workshopsreihen vor, können frei heruntergeladen, unmittelbar angepasst und in unterschiedlichen Kontexten neu eingesetzt werden. +Auf der einen Seite befinden sich kirchlich geprüfte Unterrichtswerke, die meist in Form von Schulbüchern vorliegen. Sie entstehen in enger Kooperation von ausgewählten Autor:innen, kirchlichen Aufsichtsstellen und staatlicher Kulutsbehörde. +Auf der anderen Seite stehen offene, digitale Bildungsressourcen (OER), die von Lehrkräften, Praktiker:innen, Wissenschaftler:innen oder Multiplikator:innen erstellt und über Plattformen wie *rpi-virtuell* verbreitet werden. Sie liegen in Form von Arbeitsblättern, Podcasts, Grafiken oder Workshopsreihen vor, können kostenfrei heruntergeladen, unmittelbar angepasst und in unterschiedlichen Kontexten neu eingesetzt werden. Es sind zwei Welten, die unterschiedlichen Logiken folgen und doch beide für religiöse Bildungsprozesse von zentraler Bedeutung sind. -## Die Entstehung und Genehmigung kirchlicher Schulbücher +## Die Entstehung und Genehmigung von Religionsschulbüchern Die Entwicklung katholischer Religionsbücher folgt einem hoch formalisierten Verfahren, das von mehreren Akteursgruppen getragen wird: -(1) Die Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlage verfassen die Manuskripte, die anschließend durch (2) kirchliche Zulassungsbehörden und (3) staatliche Kultusbehören geprüft werden. Damit soll gewährleistet sein, dass theologische Korrektheit, didaktische Qualität und rechtliche Vorgaben in den Lehrwerken gleichermaßen erfüllt sind. +Die Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlage verfassen die Manuskripte, die anschließend durch kirchliche Zulassungsbehörden und staatliche Kultusbehören geprüft werden. Damit soll gewährleistet sein, dass theologische Korrektheit, didaktische Qualität und rechtliche Vorgaben in den Lehrwerken gleichermaßen erfüllt sind. -Kirchenrechtlich ist festgelegt, dass Religionsbücher der Genehmigung durch die zuständige kirchliche Autorität bedürfen ([c. 827 § 2 CIC](https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch3.htm)). -Die einschlägige [Verfahrensordnung der Deutschen Bischofskonferenz](https://recht.drs.de/fileadmin/user_files/117/Dokumente/Rechtsdokumentation/3/4/1/02_11_01.pdf) aus dem Jahr 2002 präzisiert diesen Prozess: Zunächst erfolgt eine Begutachtung die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Schulbuchkommission (Art. 3 Abs. 1). -Darüber ist von kirchlicher Seite vorgesehen, dass Autor:innen des Lehrwerkes im Besitz der **Missio Canonica** sind oder, sofern diese fehlt, eine zustimmende Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs vorlegen (Art. 5). -Diese Regelung gilt für alle an einem Werk Beteiligten. Erst nach erfolgreicher Prüfung erteilt der Diözesanbischof die Druckerlaubnis, die im Imprimatur sichtbar wird. +**Kirchenrechtlich** ist festgelegt, dass Religionsbücher der Genehmigung durch die zuständige kirchliche Autorität bedürfen ([c. 827 § 2 CIC](https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch3.htm)). +Die einschlägige [Verfahrensordnung der Deutschen Bischofskonferenz](https://recht.drs.de/fileadmin/user_files/117/Dokumente/Rechtsdokumentation/3/4/1/02_11_01.pdf) aus dem Jahr 2002 präzisiert diesen Prozess. Zunächst erfolgt eine Begutachtung die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte **Schulbuchkommission** (Art. 3 Abs. 1). +Darüber hinaus ist von kirchlicher Seite vorgesehen, dass Autor:innen des Lehrwerkes im Besitz der **Missio Canonica** sind oder, sofern diese fehlt, eine zustimmende Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs vorlegen (Art. 5). +Diese Regelung gilt für alle an einem Werk Beteiligten. Erst nach erfolgreicher Prüfung erteilt der **Diözesanbischof** die Druckerlaubnis, die im Imprimatur sichtbar wird. -Neben der kirchlichen Zulassung ist die staatliche Kultusbehörde eine weitere Akteurin der Qualitätssicherung. Sie prüft die Vereinbarkeit mit den schulrechtlichen Rahmenbedingungen und den jeweiligen Lehrplänen der Länder sowie die Übereinstimmung des Lehrwerkes mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die Prüfung fachwissenschaftlicher wie fachdidaktischer Aspekte überlässt die Behörde weitgehend den Religionsgemeinschaften. -Die Schulbuchgenehmigung orientiert sich also sowohl an der kirchlichen Autorität, die ausgewiesene theologische Fundierung und Einheit prüft, als auch am Staat, der rechtliche Standards und Bildungsziele in Lehrmitteln gewährleistet. +Neben der kirchlichen Zulassung übernimmt auch die **staatliche Kultusbehörde** eine zentrale Rolle in der Qualitätssicherung. Ihre Aufgabe besteht darin, die Vereinbarkeit eines Lehrwerks mit den schulrechtlichen Vorgaben sowie den Lehrplänen der Länder zu überprüfen. Dabei steht insbesondere im Fokus, wie die dort verankerten Bildungsstandards im Schulbuch konkretisiert werden. Da Schulbücher an der Schnittstelle zwischen Lehrplan und Unterricht verortet sind, verdichtet sich in ihnen ein spezifisches Verständnis von Kompetenzorientierung. Dieses Verständnis soll den Unterricht sowohl an grundlegenden Lerntheorien als auch an aktuellen Vorgaben orientieren, wie z.B. die Verwendung von Operatoren bei Arbeitsaufträgen (vgl. Mendl 2024, 250). Darüber hinaus kontrolliert die Kultusbehörde die Übereinstimmung des Lehrwerks mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. + +Die Schulbuchgenehmigung orientiert sich also neben der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Expertise durch die Autor:innen sowohl an der kirchlichen Autorität, die ausgewiesene theologische Fundierung und didaktische Umsetzung prüft, als auch am Staat, der rechtliche Standards und Bildungsziele in Lehrmitteln gewährleistet. Insgesamt zielen die Begutachtungsmodalitäten durch konstruktive und kritische Hinweise auf die Qualitätsentwicklung des Unterrichtsmediums (vgl. Mendl 2024, 250) ## Verbindlichkeit und Grenzen von Genehmigungsverfahren -Porzelt (2023) beschreibt in seinem Artikel zum Genehmigungsverfahren eines katholischen Religionsbuches diese doppelte Bindung als Ausdruck eines grundlegenden Spannungsfeldes. Religiöse Bildung ist stets zweifach bestimmt: Einerseits steht sie unter dem kirchlichen Mandat, das normative Leitlinien vorgibt, andererseits unter den Prinzipien der öffentlichen Schule, die Glaubensfreiheit und Lernendenautonomie garantieren. Schulbücher beanspruchen daher eine besondere Verbindlichkeit, können aber gerade dadurch Pluralität und Vielfalt nur eingeschränkt abbilden. +Nähere Einblick in so ein komplexes und anspruchsvolles Genehmigungsverfahren eines katholischen Religionsbuches liefert Porzelt (2023; 2024). Er versteht die doppelte Bindung von kirchlicher Aufsichtsbehörde und staatlicher Kultusbehörde als Ausdruck eines grundlegenden Spannungsfeldes. Religiöse Bildung ist demnach zweifach bestimmt: Einerseits steht sie unter dem kirchlichen Mandat, das normative Leitlinien vorgibt, andererseits unter den Prinzipien der öffentlichen Schule, die Glaubensfreiheit und Lernendenautonomie garantieren. Schulbücher beanspruchen daher eine besondere Verbindlichkeit, können aber gerade dadurch Pluralität und Vielfalt nur eingeschränkt abbilden. Porzelt verweist zudem auf die Gefahr, dass durch ein zu stark normiertes Zulassungsverfahren die Lebendigkeit religiöser Bildung eingeschränkt werde. Wenn religiöse Ausdrucksformen oder gesellschaftlich relevante Themen nur am Rande vorkommen, wird das Bildungsangebot leicht in Richtung eines „kanonisch abgesicherten“ Wissens verengt. Damit geht die Herausforderung einher, die Balance zu finden zwischen der notwendigen Autorität, die kirchliche Identität wahrt, und der didaktischen Offenheit, die der Heterogenität heutiger Schüler:innenschaften gerecht wird. ## Entstehung und Qualitätsprozesse von OER -Demgegenüber entstehen OER in deutlich offeneren Strukturen. Sie werden von Personen entwickelt, die sich für Bildung begeistern, das sind mit unter Lehrkräfte, Wissenschaftler:innen oder Multiplikator:innen von Fort- und Weiterbildungsangeboten. OER werden meist auf digitalen Plattformen wie z.B. orca.nrw, twillo oder speziell für religiöse Bildungsprozesse rpi-virtuell eingestellt und verbreitet. -Charakteristisch für OER ist ihre Adaption und Nachnutzbarkeit. Durch offene Creative Commons-Lizenzen können die Materialien frei heruntergeladen, verändert, an spezifische Kontexte angepasst und neu publiziert werden. -Die Qualitätssicherung vollzieht sich hier nicht durch ein zentrales Genehmigungsverfahren, sondern in dynamischen Prozessen kollaborativer Aushandlung. Nutzer:innen prüfen die Materialien im praktischen Einsatz, geben Feedback über Kommentarspalten oder in digitalen Austauschrunden, passen die Materialien an ihre Lerngruppen an und entwickeln sie weiter. -Evaluation, Adaption und iterative Überarbeitung werden so selbst zu Instrumenten der Qualitätssicherung. OER sind somit keine statisch abgeschlossenen Produkte, sondern kontinuierlich erweiterbar im „Work in Progress“. -Diese Offenheit ermöglicht ein hohes Maß an Partizipation, Kreativität und Aktualität, sie birgt jedoch auch Risiken gewisse Risiken. -Ohne institutionelle Autorisierung können theologische Maßstäbe verschwimmen und die Sicherung inhaltlicher Standards hängt stark von der aktiven Mitwirkung der Community ab. +Demgegenüber entstehen OER in deutlich offeneren Strukturen. Sie werden von Personen entwickelt, die sich für Bildung begeistern, das sind mit unter Lehrkräfte, Erzieher:innen, Wissenschaftler:innen, Multiplikator:innen von Fort- und Weiterbildungsangeboten oder NGO's. Diese Offenheit ermöglicht es, viele Menschen an der Entstehung von Lehr-Lernmaterialien zu beteiligen und hinsichtlich der Themenauswahl, Produktion, Darstellung, Verwaltung und Verbreitung von Wissen teilzuhaben (vgl. Paschke 2024, 255) + +OER werden meist auf digitalen Plattformen wie z.B. *orca.nrw*, *twillo* oder speziell für religiöse Bildungsprozesse *rpi-virtuell* eingestellt und verbreitet, damit sie einem großen Personenkreis **konstenlos zugänglich** gemacht werden können. + +Charakteristisch für OER ist ihre **Adaption und Nachnutzbarkeit**. Durch offene Creative Commons-Lizenzen können die Materialien frei heruntergeladen, verändert, an spezifische Kontexte angepasst und neu publiziert werden. + +Die **Qualitätssicherung** vollzieht sich hier nicht durch ein zentrales Genehmigungsverfahren, sondern in dynamischen Prozessen kollaborativer Aushandlung. Nutzer:innen prüfen die Materialien im praktischen Einsatz, geben Feedback über Kommentarspalten oder in digitalen Austauschrunden, passen die Materialien an ihre Lerngruppen an und entwickeln sie weiter. +Evaluation, Adaption und iterative Überarbeitung werden so selbst zu Instrumenten der Qualitätssicherung. OER sind somit keine statisch abgeschlossenen Produkte, sondern kontinuierlich erweiterbar. + +Diese Offenheit ermöglicht ein hohes Maß an **Partizipation, Kreativität und Aktualität**. So verdeutlicht Paschke (2024, S. 254f), dass OER die Chance liefern, aktuelle kirchliche Entwicklungen, wie den synodalen Weg oder Out in Church mit geeignetem Material im Unterricht zu bearbeiten, um Schüler:innen über den Schulkontext hinaus dafür zu motivieren, kirchenpolitische Entwicklungen mitzugestalten. +Allerdings birgt die Offenheit jedoch auch gewisse Risiken. Ohne institutionelle Autorisierung können theologische Maßstäbe verschwimmen und die Sicherung inhaltlicher Standards hängt stark von der aktiven Mitwirkung der Community ab. ## Diskussion: Zwischen normativer Verbindlichkeit und partizipativer Offenheit @@ -44,7 +49,7 @@ Die Gegenüberstellung verdeutlicht zwei Modelle der Qualitätsentwicklung, die Kirchliche Schulbücher gewährleisten theologische Klarheit und institutionelle Verbindlichkeit durch ein hierarchisch organisiertes Genehmigungsverfahren. OER entfalten ihre Qualität dagegen im Modus der Offenheit. Sie leben von Partizipation, Adaptierbarkeit und der dynamischen Weiterentwicklung durch Praktker:innen. -Sowohl der kirchliche als auch der staatliche Ansatz besitzen Stärken und Schwächen. Kirchliche Verfahren sichern Verlässlichkeit, können jedoch nach Porzelt (2023)innovationshemmend sein. +Sowohl der kirchliche als auch der staatliche Ansatz besitzen Stärken und Schwächen. Kirchliche Verfahren sichern Verlässlichkeit, können jedoch nach Porzelt (2023; 2024)innovationshemmend sein. OER eröffnen neue Räume für Partizipation und kontextuelle Passung, sind jedoch anfällig für Beliebigkeit und den Verlust theologischer Tiefe. Die Herausforderung für die religionspädagogische Praxis besteht darin, diese beiden Ansätze nicht als unvereinbare Gegensätze zu betrachten, sondern sie produktiv miteinander zu verknüpfen. Eine zukunftsweisende Perspektive könnte darin liegen, kirchliche Expertise in theologischer Reflexion und normativer Orientierung in offene Entwicklungsprozesse einzubringen und zugleich von den partizipativen, adaptiven Praktiken der OER-Communities zu lernen. So könnte eine neue Materialkultur entstehen, die sowohl Verbindlichkeit als auch Offenheit ernst nimmt. @@ -52,5 +57,8 @@ Letztlich bleibt das eingangs skizzierte Bild bestehen. Auf der einen Seite lieg Doch gerade in dieser Spannung eröffnet sich die Möglichkeit, beide Welten in einen produktiven Dialog zu führen und eine zukunftsfähige Kultur religiöser Bildung zu gestalten, die institutionelle Verantwortung und kreative Offenheit zumindest miteinander ins Gespräch bringt. Literatur +* Mendl, H. (2024). Religionsbuch: Quelle und Höhepunkt der Unterrichtsplanung, in: KatBl 149 (4), 249–256. +* Paschke, P. (2024). Das "Relibuch" braucht ein Update, in: KatBl 149 (4), 253–256. +* Porzelt, B. (2024). Albtraum Religionsbuchgenehmigung, in: KatBl 149 (4), 257-261. * Porzelt, B. (2023). Wer bestimmt die Normen des Religionsunterrichts? Die Genehmigung von Religionsbüchern im Fadenkreuz, in: MThZ 74 (2023) 207-216. From 229e8f2ceb9cf0a39dd8e204143019d173441713 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: lmoessle Date: Tue, 14 Oct 2025 13:42:05 +0000 Subject: [PATCH 3/3] =?UTF-8?q?=C3=84nderungshinweise=20von=20Viera=20und?= =?UTF-8?q?=20Florian=20erg=C3=A4nzt?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- .../index.md | 55 ++++++++++++------- 1 file changed, 36 insertions(+), 19 deletions(-) diff --git a/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md b/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md index e4a3985..2730b06 100644 --- a/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md +++ b/Website/content/posts/2026-01-10-Kirchliche-Mitsprache-vs-open?/index.md @@ -1,7 +1,6 @@ - # Kirchliche Mitsprache bei Religionsschulbüchern vs. freie Entwicklung von OER?! -# Kontrast zweier Welten +## Kontrast zweier Welten Die Realität der religionspädagogischen Materialentwicklung lässt sich in einem markanten Kontrastbild beschreiben: Auf der einen Seite befinden sich kirchlich geprüfte Unterrichtswerke, die meist in Form von Schulbüchern vorliegen. Sie entstehen in enger Kooperation von ausgewählten Autor:innen, kirchlichen Aufsichtsstellen und staatlicher Kulutsbehörde. @@ -10,21 +9,37 @@ Es sind zwei Welten, die unterschiedlichen Logiken folgen und doch beide für re ## Die Entstehung und Genehmigung von Religionsschulbüchern -Die Entwicklung katholischer Religionsbücher folgt einem hoch formalisierten Verfahren, das von mehreren Akteursgruppen getragen wird: -Die Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlage verfassen die Manuskripte, die anschließend durch kirchliche Zulassungsbehörden und staatliche Kultusbehören geprüft werden. Damit soll gewährleistet sein, dass theologische Korrektheit, didaktische Qualität und rechtliche Vorgaben in den Lehrwerken gleichermaßen erfüllt sind. +Die Entwicklung von Religionsbüchern – ob katholisch, evangelisch oder islamisch – folgt einem hoch formalisierten Verfahren, das von mehreren Akteursgruppen getragen wird. +In allen anerkannten Religionsunterrichten erfolgt die Zulassung durch kirchliche bzw. religionsgemeinschaftliche Gremien und durch die jeweilige staatliche Kultusbehörde. Damit soll gewährleistet sein, dass theologische bzw. religionsgemeinschaftliche Korrektheit, didaktische Qualität und rechtliche Vorgaben erfüllt sind. Insgesamt zielen die Begutachtungsmodalitäten durch konstruktive und kritische Hinweise auf die Qualitätsentwicklung des Unterrichtsmediums (vgl. Mendl 2024, 250) -**Kirchenrechtlich** ist festgelegt, dass Religionsbücher der Genehmigung durch die zuständige kirchliche Autorität bedürfen ([c. 827 § 2 CIC](https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch3.htm)). -Die einschlägige [Verfahrensordnung der Deutschen Bischofskonferenz](https://recht.drs.de/fileadmin/user_files/117/Dokumente/Rechtsdokumentation/3/4/1/02_11_01.pdf) aus dem Jahr 2002 präzisiert diesen Prozess. Zunächst erfolgt eine Begutachtung die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte **Schulbuchkommission** (Art. 3 Abs. 1). -Darüber hinaus ist von kirchlicher Seite vorgesehen, dass Autor:innen des Lehrwerkes im Besitz der **Missio Canonica** sind oder, sofern diese fehlt, eine zustimmende Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs vorlegen (Art. 5). -Diese Regelung gilt für alle an einem Werk Beteiligten. Erst nach erfolgreicher Prüfung erteilt der **Diözesanbischof** die Druckerlaubnis, die im Imprimatur sichtbar wird. +### Katholische Religionsbücher +Kirchenrechtlich ist festgelegt, dass katholische Religionsbücher der Genehmigung durch die zuständige kirchliche Autorität bedürfen ([c. 827 § 2 CIC](https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch3.htm)). +Die [Verfahrensordnung der Deutschen Bischofskonferenz](https://recht.drs.de/fileadmin/user_files/117/Dokumente/Rechtsdokumentation/3/4/1/02_11_01.pdf) aus dem Jahr 2002 präzisiert diesen Prozess. +Zunächst erfolgt eine Begutachtung durch die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Schulbuchkommission (Art. 3 Abs. 1). +Darüber hinaus ist vorgesehen, dass Autor:innen im Besitz der Missio Canonica sind oder, sofern diese fehlt, eine zustimmende Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs vorlegen (Art. 5). +Diese Regelung gilt für alle an einem Werk Beteiligten. +Nach erfolgreicher Prüfung erteilt der Diözesanbischof die kirchliche Zulassung, die in den Schulbüchern kenntlich gemacht wird. -Neben der kirchlichen Zulassung übernimmt auch die **staatliche Kultusbehörde** eine zentrale Rolle in der Qualitätssicherung. Ihre Aufgabe besteht darin, die Vereinbarkeit eines Lehrwerks mit den schulrechtlichen Vorgaben sowie den Lehrplänen der Länder zu überprüfen. Dabei steht insbesondere im Fokus, wie die dort verankerten Bildungsstandards im Schulbuch konkretisiert werden. Da Schulbücher an der Schnittstelle zwischen Lehrplan und Unterricht verortet sind, verdichtet sich in ihnen ein spezifisches Verständnis von Kompetenzorientierung. Dieses Verständnis soll den Unterricht sowohl an grundlegenden Lerntheorien als auch an aktuellen Vorgaben orientieren, wie z.B. die Verwendung von Operatoren bei Arbeitsaufträgen (vgl. Mendl 2024, 250). Darüber hinaus kontrolliert die Kultusbehörde die Übereinstimmung des Lehrwerks mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. +### Evangelischer Religionsunterricht +Auch evangelische Religionsbücher unterliegen einem geregelten Zulassungsverfahren. Die Verantwortung liegt bei den jeweiligen Landeskirchen, die in Abstimmung mit den staatlichen Kultusbehörden über die Verwendung von Unterrichtswerken entscheiden. +Grundlage bilden entsprechende kirchenrechtliche Bestimmungen, wie z.B. die [Schulbuchzulassungsordnung der Evangelischen Landeskirche Baden](https://www.kirchenrecht-ekiba.de/document/4302/search/2025). +In einem mehrstufigen Verfahren prüfen theologische Fachreferate und Schulreferate die inhaltliche und didaktische Qualität sowie die Übereinstimmung mit den Rahmenrichtlinien des Religionsunterrichts. Nach erfolgreicher Begutachtung wird das Werk als Lehrmittel für den evangelischen Religionsunterricht zugelassen und entsprechend ausgewiesen. + +### Islamischer Religionsunterricht +Die Entwicklung und Zulassung islamischer Religionsbücher folgt bislang keinem einheitlichen Verfahren, sondern ist stark von den föderalen Bildungsstrukturen und den jeweiligen Kooperationsformen zwischen Staat und muslimischen Organisationen abhängig. +In einigen Bundesländern wie z.B. Bayern, Baden-Württemberg, NRW oder Hessen bestehen formalisierte Partnerschaften mit islamischen Beiräten oder wissenschaftlichen Instituten, die an der Erarbeitung von Lehrplänen und der Auswahl geeigneter Unterrichtsmaterialien beteiligt sind ([vgl. Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft 2021](https://aiwg.de/wp-content/uploads/2020/12/AIWG-Expertise-Isamischer-Religionsunterricht-in-Deutschland_Onlinepublikation.pdf)). +In anderen Bundesländern befinden sich solche Gremien noch im Aufbau oder werden durch befristete Kooperationsmodelle ersetzt. Entsprechend unterschiedlich ist der Stand zugelassener Lehrmittel: Während etwa in Bayern oder Hessen bereits genehmigte Schulbücher im Einsatz sind, stützt sich der Unterricht andernorts auf vorläufige Materialien ([vgl. Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft 2021](https://aiwg.de/wp-content/uploads/2020/12/AIWG-Expertise-Isamischer-Religionsunterricht-in-Deutschland_Onlinepublikation.pdf)). + +### Staatliche Genehmigung +Neben den kirchlichen und religionsgemeinschaftlichen Zulassungen übernimmt auch die staatliche Kultusbehörde eine zentrale Rolle in der Qualitätssicherung. Ihre Aufgabe besteht darin, die Vereinbarkeit eines Lehrwerks mit den schulrechtlichen Vorgaben sowie den Lehrplänen der Länder zu überprüfen. Dabei steht insbesondere im Fokus, wie die dort verankerten Bildungsstandards im Schulbuch konkretisiert werden. +Da Schulbücher an der Schnittstelle zwischen Lehrplan und Unterricht verortet sind, verdichtet sich in ihnen ein spezifisches Verständnis von Kompetenzorientierung. Dieses Verständnis soll den Unterricht sowohl an grundlegenden Lerntheorien als auch an aktuellen Vorgaben orientieren, wie z.B. die Verwendung von Operatoren bei Arbeitsaufträgen (vgl. Mendl 2024, 250). Darüber hinaus kontrolliert die Kultusbehörde die Übereinstimmung des Lehrwerks mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. -Die Schulbuchgenehmigung orientiert sich also neben der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Expertise durch die Autor:innen sowohl an der kirchlichen Autorität, die ausgewiesene theologische Fundierung und didaktische Umsetzung prüft, als auch am Staat, der rechtliche Standards und Bildungsziele in Lehrmitteln gewährleistet. Insgesamt zielen die Begutachtungsmodalitäten durch konstruktive und kritische Hinweise auf die Qualitätsentwicklung des Unterrichtsmediums (vgl. Mendl 2024, 250) +Die Schulbuchgenehmigung orientiert sich also neben der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Expertise durch die Autor:innen sowohl an der kirchlichen Autorität, die ausgewiesene theologische Fundierung und didaktische Umsetzung prüft, als auch am Staat, der rechtliche Standards und Bildungsziele in Lehrmitteln gewährleistet. + ## Verbindlichkeit und Grenzen von Genehmigungsverfahren -Nähere Einblick in so ein komplexes und anspruchsvolles Genehmigungsverfahren eines katholischen Religionsbuches liefert Porzelt (2023; 2024). Er versteht die doppelte Bindung von kirchlicher Aufsichtsbehörde und staatlicher Kultusbehörde als Ausdruck eines grundlegenden Spannungsfeldes. Religiöse Bildung ist demnach zweifach bestimmt: Einerseits steht sie unter dem kirchlichen Mandat, das normative Leitlinien vorgibt, andererseits unter den Prinzipien der öffentlichen Schule, die Glaubensfreiheit und Lernendenautonomie garantieren. Schulbücher beanspruchen daher eine besondere Verbindlichkeit, können aber gerade dadurch Pluralität und Vielfalt nur eingeschränkt abbilden. +Nähere Einblick in ein Genehmigungsverfahren eines katholischen Religionsbuches liefert Porzelt (2023; 2024). Er versteht die doppelte Bindung von kirchlicher Aufsichtsbehörde und staatlicher Kultusbehörde als Ausdruck eines grundlegenden Spannungsfeldes. Religiöse Bildung ist demnach zweifach bestimmt: Einerseits steht sie unter dem kirchlichen Mandat, das normative Leitlinien vorgibt, andererseits unter den Prinzipien der öffentlichen Schule, die Glaubensfreiheit und Lernendenautonomie garantieren. Schulbücher beanspruchen daher eine besondere Verbindlichkeit, können aber gerade dadurch Pluralität und Vielfalt nur eingeschränkt abbilden. Porzelt verweist zudem auf die Gefahr, dass durch ein zu stark normiertes Zulassungsverfahren die Lebendigkeit religiöser Bildung eingeschränkt werde. Wenn religiöse Ausdrucksformen oder gesellschaftlich relevante Themen nur am Rande vorkommen, wird das Bildungsangebot leicht in Richtung eines „kanonisch abgesicherten“ Wissens verengt. Damit geht die Herausforderung einher, die Balance zu finden zwischen der notwendigen Autorität, die kirchliche Identität wahrt, und der didaktischen Offenheit, die der Heterogenität heutiger Schüler:innenschaften gerecht wird. @@ -33,30 +48,32 @@ Porzelt verweist zudem auf die Gefahr, dass durch ein zu stark normiertes Zulass Demgegenüber entstehen OER in deutlich offeneren Strukturen. Sie werden von Personen entwickelt, die sich für Bildung begeistern, das sind mit unter Lehrkräfte, Erzieher:innen, Wissenschaftler:innen, Multiplikator:innen von Fort- und Weiterbildungsangeboten oder NGO's. Diese Offenheit ermöglicht es, viele Menschen an der Entstehung von Lehr-Lernmaterialien zu beteiligen und hinsichtlich der Themenauswahl, Produktion, Darstellung, Verwaltung und Verbreitung von Wissen teilzuhaben (vgl. Paschke 2024, 255) -OER werden meist auf digitalen Plattformen wie z.B. *orca.nrw*, *twillo* oder speziell für religiöse Bildungsprozesse *rpi-virtuell* eingestellt und verbreitet, damit sie einem großen Personenkreis **konstenlos zugänglich** gemacht werden können. +OER werden meist auf digitalen Plattformen wie z.B. *orca.nrw*, *twillo* oder speziell für religiöse Bildungsprozesse *rpi-virtuell* eingestellt und verbreitet, damit sie einem großen Personenkreis konstenlos zugänglich gemacht werden können. -Charakteristisch für OER ist ihre **Adaption und Nachnutzbarkeit**. Durch offene Creative Commons-Lizenzen können die Materialien frei heruntergeladen, verändert, an spezifische Kontexte angepasst und neu publiziert werden. +Charakteristisch für OER ist ihre Adaption und Nachnutzbarkeit. Durch offene Creative Commons-Lizenzen können die Materialien frei heruntergeladen, verändert, an spezifische Kontexte angepasst und neu publiziert werden. -Die **Qualitätssicherung** vollzieht sich hier nicht durch ein zentrales Genehmigungsverfahren, sondern in dynamischen Prozessen kollaborativer Aushandlung. Nutzer:innen prüfen die Materialien im praktischen Einsatz, geben Feedback über Kommentarspalten oder in digitalen Austauschrunden, passen die Materialien an ihre Lerngruppen an und entwickeln sie weiter. +Die Qualitätssicherung vollzieht sich hier nicht durch ein zentrales Genehmigungsverfahren, sondern in dynamischen Prozessen kollaborativer Aushandlung. Nutzer:innen prüfen die Materialien im praktischen Einsatz, geben Feedback über Kommentarspalten oder in digitalen Austauschrunden, passen die Materialien an ihre Lerngruppen an und entwickeln sie weiter. Evaluation, Adaption und iterative Überarbeitung werden so selbst zu Instrumenten der Qualitätssicherung. OER sind somit keine statisch abgeschlossenen Produkte, sondern kontinuierlich erweiterbar. -Diese Offenheit ermöglicht ein hohes Maß an **Partizipation, Kreativität und Aktualität**. So verdeutlicht Paschke (2024, S. 254f), dass OER die Chance liefern, aktuelle kirchliche Entwicklungen, wie den synodalen Weg oder Out in Church mit geeignetem Material im Unterricht zu bearbeiten, um Schüler:innen über den Schulkontext hinaus dafür zu motivieren, kirchenpolitische Entwicklungen mitzugestalten. +Diese Offenheit ermöglicht ein hohes Maß an Partizipation, Kreativität und Aktualität. So verdeutlicht Paschke (2024, S. 254f), dass OER die Chance liefern, aktuelle kirchliche Entwicklungen, wie den synodalen Weg oder Out in Church mit geeignetem Material im Unterricht zu bearbeiten, um Schüler:innen über den Schulkontext hinaus dafür zu motivieren, kirchenpolitische Entwicklungen mitzugestalten. Allerdings birgt die Offenheit jedoch auch gewisse Risiken. Ohne institutionelle Autorisierung können theologische Maßstäbe verschwimmen und die Sicherung inhaltlicher Standards hängt stark von der aktiven Mitwirkung der Community ab. + ## Diskussion: Zwischen normativer Verbindlichkeit und partizipativer Offenheit Die Gegenüberstellung verdeutlicht zwei Modelle der Qualitätsentwicklung, die jeweils eigene Logiken repräsentieren. -Kirchliche Schulbücher gewährleisten theologische Klarheit und institutionelle Verbindlichkeit durch ein hierarchisch organisiertes Genehmigungsverfahren. +Kirchlich bzw. religionsgemeinschaftlich genehmigte Schulbücher gewährleisten theologische Klarheit und institutionelle Verbindlichkeit durch ein organisiertes Genehmigungsverfahren. OER entfalten ihre Qualität dagegen im Modus der Offenheit. Sie leben von Partizipation, Adaptierbarkeit und der dynamischen Weiterentwicklung durch Praktker:innen. -Sowohl der kirchliche als auch der staatliche Ansatz besitzen Stärken und Schwächen. Kirchliche Verfahren sichern Verlässlichkeit, können jedoch nach Porzelt (2023; 2024)innovationshemmend sein. +Religionsgemeinschaftliche bzw. staatlich-kirchliche Verfahren schaffen Verlässlichkeit, können jedoch nach Porzelt (2023; 2024) Innovation und Pluralität begrenzen. OER eröffnen neue Räume für Partizipation und kontextuelle Passung, sind jedoch anfällig für Beliebigkeit und den Verlust theologischer Tiefe. Die Herausforderung für die religionspädagogische Praxis besteht darin, diese beiden Ansätze nicht als unvereinbare Gegensätze zu betrachten, sondern sie produktiv miteinander zu verknüpfen. -Eine zukunftsweisende Perspektive könnte darin liegen, kirchliche Expertise in theologischer Reflexion und normativer Orientierung in offene Entwicklungsprozesse einzubringen und zugleich von den partizipativen, adaptiven Praktiken der OER-Communities zu lernen. So könnte eine neue Materialkultur entstehen, die sowohl Verbindlichkeit als auch Offenheit ernst nimmt. -Letztlich bleibt das eingangs skizzierte Bild bestehen. Auf der einen Seite liegt der geordnete Stapel kirchlich autorisierter Schulbücher, auf der anderen Seite die dynamische, vielleicht chaotisch anmutende Vielfalt frei zugänglicher OER. +Eine zukunftsweisende Perspektive könnte darin liegen, normative Orientierungen in offene Entwicklungsprozesse einzubringen und zugleich von den partizipativen, adaptiven Praktiken der OER-Communities zu lernen. So könnte eine neue Materialkultur entstehen, die sowohl Verbindlichkeit als auch Offenheit ernst nimmt. +Letztlich bleibt das eingangs skizzierte Bild bestehen. Auf der einen Seite liegt der geordnete Stapel autorisierter Schulbücher, auf der anderen Seite die dynamische, vielleicht chaotisch anmutende Vielfalt frei zugänglicher OER. Doch gerade in dieser Spannung eröffnet sich die Möglichkeit, beide Welten in einen produktiven Dialog zu führen und eine zukunftsfähige Kultur religiöser Bildung zu gestalten, die institutionelle Verantwortung und kreative Offenheit zumindest miteinander ins Gespräch bringt. Literatur +* Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) (2021). [Islamischer Religionsunterricht in Deutschland. Qualität, Rahmenbedingungen und Umsetzung](https://aiwg.de/wp-content/uploads/2020/12/AIWG-Expertise-Isamischer-Religionsunterricht-in-Deutschland_Onlinepublikation.pdf), Frankfurt a.M. * Mendl, H. (2024). Religionsbuch: Quelle und Höhepunkt der Unterrichtsplanung, in: KatBl 149 (4), 249–256. * Paschke, P. (2024). Das "Relibuch" braucht ein Update, in: KatBl 149 (4), 253–256. * Porzelt, B. (2024). Albtraum Religionsbuchgenehmigung, in: KatBl 149 (4), 257-261.