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# Ist die Bibel eigentlich *open*?
Es ist November. Bald beginnt die Adventszeit und Lehrpersonen oder pädagogische Fachkräfte greifen gerne auf biblische Texte aus dem Alten und Neuen Testament zurück, um die Adventszeit in ihrer Schule oder Kita zu gestalten. Die Bibel gehört zum Grundelement religiöser Bildungsprozesse und viele Didaktiker:innen entwickeln spannendes Material dazu, wie man mit der Bibel zielgruppenorientiert arbeiten kann.
Dabei stoßen sie früher oder später auf eine wichtige Frage: Ist die Bibel eigentlich *open*? Können biblische Texte für OER, also für Bildungsmaterial, das unter einer offenen Lizenz steht und mit anderen frei geteilt werden kann, bedenkenlos verwendet werden?
Dabei stoßen sie früher oder später auf eine wichtige Frage: Ist die Bibel eigentlich *open*? Können biblische Texte für OER, also für Bildungsmaterial, das unter einer offenen CC-Lizenz steht und mit anderen frei geteilt werden kann, bedenkenlos verwendet werden?
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## Schmerzhafte Antwort: *Nein*
@ -10,31 +10,31 @@ Die kurze und schmerzhafte Antwort lautet *Nein*, zumindest wenn man auf gängig
Auch auf der Plattform [bibleserver.com](https://www.bibleserver.com/) findet man zur Frage nach den Lizenzen folgende Aussage:
„ERF Bibelserver ist eine Online-Plattform, auf der viele verschiedene Bibelübersetzungen angeboten werden. Diese sind in den meisten Fällen urheberrechtlich geschützt und dürfen ohne Genehmigung nicht vervielfältigt werden. (…) Darüber hinaus können wir dir keine Genehmigungen für die Vervielfältigung bzw. den Abdruck von Bibeltexten erteilen oder dich rechtlich beraten. Möchtest du Bibeltexte über unsere Plattform hinaus nutzen, wende dich bitte direkt an die jeweilige Bibelgesellschaft. Informationen hierzu findest du in den Copyright-Angaben am Ende jedes Bibeltextes“ [Bibelserver](https://www.bibleserver.com/help/rechte-an-bibeltexten/65) (zuletzt geprüft am 04.11.2024).
## Was bedeutet *Openness*?
Für die Arbeit mit OER und für Open Educational Practices (OEP) im religionsbezogenen Bereich ist dies von großer Bedeutung. Zwar ist das digitale Nachschlagen einer Bibelstelle online kostenlos möglich, aber kostenlos bedeutet nicht dasselbe wie *open* im Sinne von OER und OEP. Denn auch wenn ein Grundgedanke von OER ist, dass Material kostenfrei zur Verfügung steht, beschränkt sich *Openness* nicht allein auf die Kostenfrage ([Cronin 2017: 3](https://doi.org/10.19173/irrodl.v18i5.3096)). *Openness* bedeutet, dass man durch eine entsprechende Lizenzierung das Material hinsichtlich der 5 V-Freiheiten , nämlich **v**erwahren, **v**erwenden, **v**erarbeiten, **v**ermischen und **v**erbreiten darf (vgl. [Otto 2021](https://doi.org/10.1007/s11618-021-01043-2); [Wiley & Hilton 2018: 134f.](http://dx.doi.org/10.19173/irrodl.v18i4.3022)).
## Was bedeutet eigentlch *Openness*?
Für die Arbeit mit OER und für Open Educational Practices (OEP) im religionsbezogenen Bereich ist die freie Zugänglichkeit der Materialien von zentraler Bedeutung. Zwar ist das freie, digitale Nachschlagen einer Bibelstelle online kostenlos möglich, aber kostenlos bedeutet nicht dasselbe wie *open* im Sinne von OER und OEP. Denn auch wenn ein Grundgedanke von OER ist, dass Material kostenfrei zur Verfügung steht, beschränkt sich *Openness* nicht allein auf die Kostenfrage ([Cronin 2017: 3](https://doi.org/10.19173/irrodl.v18i5.3096)). *Openness* bedeutet, dass man durch eine entsprechende Lizenzierung das Material entlang der 5 V-Freiheiten bearbeiten darf, nämlich **v**erwahren, **v**erwenden, **v**erarbeiten, **v**ermischen und **v**erbreiten (vgl. [Otto 2021](https://doi.org/10.1007/s11618-021-01043-2); [Wiley & Hilton 2018: 134f.](http://dx.doi.org/10.19173/irrodl.v18i4.3022)).
Auch die UNESCO-Definition zu OER streicht die *Openness* hervor:
> „Open Educational Resources (OER) are learning, teaching and research materials in any format and medium that reside in the public domain or are under copyright that have been released under an open license, that permit no-cost access, re-use, re-purpose, adaptation and redistribution by others” [(UNESCO 2019: 4)](https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000383205).
Hier zeigt sich eine deutliche Diskrepanz gegenüber den aktuellen lizenzrechtlichen Regelungen der großen Bibelverlage. Gerade der Gedanke von *Openness*, kollaborativem Arbeiten und offenen Bildungspraktiken kann mit der Bibel nicht vereinbart werden. Denn ein Grundgedanke von OEP ist nach Cronin:
> „… collaborative practices that include the creation, use, and reuse of OER, as well as pedagogical practices employing participatory technologies and social networks for interaction, peer-learning, knowledge creation, and empowerment of learners” ([Cronin 2017: 4](https://doi.org/10.19173/irrodl.v18i5.3096)).
Hier zeigt sich eine deutliche Diskrepanz gegenüber den aktuellen lizenzrechtlichen Regelungen der großen Bibelverlage. Gerade der Gedanke von *Openness*, kollaborativem Arbeiten und offenen Bildungspraktiken kann mit den derzeitigen lizenzrechtlichen Bestimmungen der großen Bibelverlage nicht vereinbart werden. Denn nach Cronin sind die Grundelemente von OEP nicht nur kollaborative Praktiken, die die Erstellung, Nutzung und Wiederverwendung von OER umfassen, sondern auch pädagogische Praktiken, die partizipative Technologien und soziale Netzwerke für Interaktion, Peer-Learning, Wissensaufbau und die Befähigung der Lernenden nutzen (vgl. [Cronin 2017: 4](https://doi.org/10.19173/irrodl.v18i5.3096)).
## Chancen einer offenen Lizenz
Eine offene Lizenz würde neue pädagogische Möglichkeiten eröffnen, um Bildungsmedien und Lernartefakte verändern und wieder neu veröffentlichen zu können (vgl. [Clinton-Liosell 2021: 255](https://doi.org/10.56059/jl4d.v8i2.511); [Wiley & Hilton 2018](http://dx.doi.org/10.19173/irrodl.v18i4.3022)). Obwohl digitale Medien eine solche Arbeit ermöglichen, erlaubt eine traditionelle Lizenzierung, eine solche Herangehensweise mit traditionellen Medien wie beispielsweise der Bibel nicht ([Clinton-Liosell 2021: 257](https://doi.org/10.56059/jl4d.v8i2.511)).
Neue Technologien und offene didaktische Modelle bieten die Möglichkeit mit Lernenden kollaborativ zu arbeiten. Im Sinne der 21st Century Skills können Lernende mit Hilfe von OER lernen, sich partizipativ mit biblischen Texten auseinanderzusetzen (OECD 2019: 16ff.). Im Rahmen der offenen Pädagogik werden die Lernenden zu Wissensproduzent:innen und nicht zu Wissenskonsument:innen ([vgl. Clinton-Liosell 2021: 256](https://doi.org/10.56059/jl4d.v8i2.511)). Es bleibt die Frage, warum ausgerechnet die Bibel, die als wichtiges Kulturgut und zentrales Element religiöser Bildung gilt, lizenzrechtlich verschlossen bleibt.
Eine offene Lizenz würde neue pädagogische Möglichkeiten eröffnen, um Bildungsmedien und Lernartefakte verändern und wieder neu veröffentlichen zu können (vgl. [Clinton-Liosell 2021: 255](https://doi.org/10.56059/jl4d.v8i2.511); [Wiley & Hilton 2018](http://dx.doi.org/10.19173/irrodl.v18i4.3022)). Obwohl digitale Medien eine solche Arbeit ermöglichen, erlaubt das traditionelle Lizenzierungssystem einen solchen Ansatz mit traditionellen Medien wie der Bibel nicht. (vgl. [Clinton-Liosell 2021: 257](https://doi.org/10.56059/jl4d.v8i2.511)).
Neue Technologien und offene didaktische Modelle bieten die Möglichkeit mit Lernenden kollaborativ zu arbeiten. Im Sinne der 21st Century Skills können Lernende mit Hilfe von OER lernen, sich partizipativ mit biblischen Texten auseinanderzusetzen (vgl. OECD 2019: 16ff.). Im Rahmen der sog. offenen Pädagogik werden die Lernenden zu Wissensproduzent:innen und nicht zu Wissenskonsument:innen (vgl. [Clinton-Liosell 2021: 256](https://doi.org/10.56059/jl4d.v8i2.511)). Es bleibt die Frage, warum ausgerechnet die Bibel, die als wichtiges Kulturgut und zentrales Element religiöser Bildung gilt, lizenzrechtlich verschlossen bleibt.
## *Dark Reuse* eine verbreite Praxis
Allerdings so ist es gang und gäbe werden selbstverständlich Bildungsmaterialien mit der Bibel erstellt, geteilt und weitergegeben. Pädagog:innen in schulischen und außerschulischen Lernorten tun dies allerdings in einer rechtlichen Grauzone und deshalb meist im Verborgenen. OER-Expter:innen sprechen hierbei vom sog. *Dark Reuse* ([vgl. Baas et al 2019](https://doi.org/10.5334/jime.510); [Beavan 2018](https://doi.org/10.5944/openpraxis.10.4.889)). *Dark Reuse* prägt den Alltag vieler Lehrender, wenn sie Material erstellen, weitergeben und überarbeitet wiederverwenden.
Allerdings ist es gängige Praxis, dass Bildungsmaterialien auf Grundlage der Bibel erstellt, geteilt und verbreitet werden. Pädagog:innen in schulischen und außerschulischen Lernorten tun dies allerdings in einer rechtlichen Grauzone und deshalb meist im Verborgenen. OER-Expter:innen sprechen bei informeller Nutzung und Austausch ohne offizielle Genehmigung oder Veröffentlichung vom sog. *Dark Reuse* ([vgl. Baas et al 2019](https://doi.org/10.5334/jime.510); vgl.[Beavan 2018](https://doi.org/10.5944/openpraxis.10.4.889)). *Dark Reuse* prägt den Alltag vieler Lehrender, wenn sie Material erstellen, weitergeben und überarbeitet wiederverwenden. Gründe für diesen „dunklen“ Austausch von Materialien sind rechtliche Unsicherheiten und Einschränkungen, die den öffentlichen Zugang oder die Verbreitung dieser Materialien erschweren. Wie bereits erwähnt ist die Rechtslage bei der Bibel komplex. Hinzu kommen verschiedene Übersetzungen, Kommentartexte und weitere Medien, die ihre eigenen Urheberrechtsbestimmungen aufweisen, so dass Lehrpersonen, die diese Materialien verwenden, bearbeiten oder weitergeben, möglicherweise gegen das Urheberrecht verstoßen, ohne sich dessen bewusst zu sein.
## Perspektiven
Wie bereits erwähnt ist es möglich, eine schriftliche Genehmigung für die Verwendung von Bibelstellen in Lehrmaterialien anzufragen. Es bleibt jedoch fraglich, ob ein Verarbeiten und Vermischen des lizenzierten Textes für Bildungszwecke möglich ist. Somit stellt die lizenzrechtliche Regelung der Bibel eine hohe Hürde für offene Bildungspraktiken religionspädagogischen Arbeitens dar.
Eine andere Möglichkeit die biblischen Texte für OER zu verwenden, bieten beispielsweise die folgenden Projekte.
Wie bereits erwähnt ist es möglich, eine schriftliche Genehmigung für die Verwendung von Bibelstellen in Lehrmaterialien anzufragen. Auch wir haben Kontakt mit der deutschen Bibelgesellschaft aufgenommen, um zu klären, ob eine Bearbeitung und Vermischung des lizenzierten Textes für Bildungszwecke möglich ist. Die Antwort ist...
Somit stellt die lizenzrechtliche Regelung der Bibel eine hohe Hürde für eine offene Bildungspraxis in der religionspädagogischen Arbeit dar.
Eine andere Möglichkeit, biblische Texte für OER zu nutzen, bieten z.B. folgende Projekte
### Offene Bibel
Die sog. *offene Bibel* erlaubt den Nutzenden, die Bibelübersetzungen frei zu verwenden:
> „Unsere Bibelübersetzungen sind frei ver­fügbar, dürfen kopiert und weitergegeben oder bearbeitet werden“ [Die Offene Bibel](https://offene-bibel.de/wiki/Willkommen_bei_der_Offenen_Bibel) (zuletzt geprüft am 04.11.2024).
> „Unsere Bibelübersetzungen sind frei ver­fügbar, dürfen kopiert und weitergegeben oder bearbeitet werden“ [Die Offene Bibel](https://offene-bibel.de/wiki/Willkommen_bei_der_Offenen_Bibel) (zuletzt geprüft am 04.11.2024). Hier stehen verschiedene Versionen des Bibeltextes bereit: eine Studienfassung, eine Lesefassung und eine Fassung in Leichter Sprache
### Die diffBibel
Eine weitere Möglichkeit bietet auch die diffBibel. Hier wird die Idee einer Bibel für OER-Materialien spezifisch erwähnt:
> „Hier finden Sie eine stetig wachsende und frei verfügbare OER-Sammlung (Open Educational Resources) von biblischen Texten für die Grundschule und Sekundarstufe I, die in drei unterschiedlich komplexen Übertragungen vorliegen - die wichtigsten biblischen Texte dreifach differenziert!“ [die diffBibel](http://www.diffbibel.de/) (zuletzt geprüft am 12.11.2024).
Eine weitere Möglichkeit bietet auch die sog. *diffBibel* [die diffBibel](http://www.diffbibel.de/) (zuletzt geprüft am 12.11.2024). Das Projekt bietet eine OER-Sammlung biblischer Texte in drei Leseschwierigkeitsstufen für die Grundschule und die Sekundarstufe I. Ziel des Projekts ist es, Lernenden mit unterschiedlichen Lesefähigkeiten den Zugang zu biblischen Texten zu erleichtern und die Bibel möglichst vielen Gruppen zugänglich zu machen. Die Sammlung steht als OER kostenlos zur Verfügung und kann für religiöse Bildungsprozesse eingesetzt werden. Lehrende und Interessierte sind eingeladen, das Projekt mit eigenen Beiträgen zu erweitern und so die Materialsammlung weiter zu ergänzen.
Beide Projekte bieten sogar drei Versionen zu den jeweiligen Bibelstellen an. Bei der offenen Bibel findet man eine Studienfassung, eine Lesefassung und eine Fassung in Leichter Sprache und bei der diffBibel drei verschiedene Fassungen für differenziertes Arbeiten in der Schule. Es bestehen jedoch zwei Hürden. Die erste Hürde erkennt man bereits bei dem Beispieltext auf der Homepage der offenen Bibel. Der bekannte Text Psalm 23, begegnet einem in unbekannten Wortlaut. Eine weitere Hürde besteht darin, dass diese Bibeln noch nicht fertig sind, das heißt wenn man nach spezifischen Bibelstellen sucht, kann es sein, dass es gerade diese nicht zur Verfügung stehen.
Die offene Bibel und die diffBibel sind vielversprechende Ansätze, um biblische Texte für schulische und außerschulische Lernkontexte besser zugänglich zu machen. Beide Projekte stellen Texte in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zur Verfügung, die als OER unter einer offenen Lizenz stehen und somit kostenlos genutzt, bearbeitet und geteilt werden können. Dies ist besonders für Bildungseinrichtungen und Didaktiker:innen wertvoll, die so biblische Inhalte unkompliziert in ihre Lernsettings integrieren können und dazu beitragen, ein wichtiges Kulturgut lebendig zu halten.
Offene Lizenzen bringen aber auch Herausforderungen mit sich: Die offene Bibel kann beispielsweise in der Wortwahl von vertrauten Übersetzungen abweichen, was den Wiedererkennungswert mancher Texte mindert. Die offene Bibel kann beispielsweise in der Wortwahl von vertrauten Übersetzungen abweichen, was den Wiedererkennungswert mancher Texte mindert. So findet sich auf der Homepage der offenen Bibel der bekannte Psalm 23 - allerdings in einem unbekannten Wortlaut. Zudem sind die Bibelprojekte noch unvollständig, so dass Nutzer:innen nicht bei allen Bibelversen fündig werden. Dennoch bleibt die Vision bestehen, diese Sammlungen weiter auszubauen und so langfristig eine umfassende und zugängliche Bibelquelle für vielfältige Bildungszwecke zu schaffen.